Wissenswertes über die Trachten im Sing- und Spielkreis Heidelberg
Bäuerliche Trachten entstanden schon im Mittelalter. An der Tracht konnte man die ständische Zugehörigkeit (Adliger oder Bauer), die Berufszugehörigkeit (Goldschmied, Seiler, Schmied etc.) und den Personenstand (ledig, verheiratet, verwitwet) der Träger erkennen. Mit der französischen Revolution (1789) wurde die offizielle Ständeordnung (Bauer, Handwerker, Kaufleute, Adel) und die damit verbundene Kleiderordnung aufgehoben. Nun entstanden einzelne Trachtengebiete, die je nach Landschaft ihre eigene typische Kleidung entwickelten. Die Trachten waren in ihrem Aussehen (Farbe, Form, Schnitt) und vom dem Wesen einer Gemeinschaft geprägt. Die Trachten waren wie Sprache und Sitte ein Erkennungszeichen eines Volkes.
Mit der industriellen Revolution, Mitte des 19. Jahrhunderts, verschwanden die Trachten immer mehr. Erst durch die „Jugendbewegung“, einer Heimatbewegung in Deutschland, wurde im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert diese „fast verschwundene, heile Welt“ neu entdeckt. Trachten, vergessene Volkslieder, Volksmusik und Volkstänze wurden als „verlorene Traditionen“ überall in Deutschland in den entlegensten Winkeln aufgestöbert, gesammelt, aufgeschrieben und wieder zu neuem Leben erweckt.
Der Sing- und Spielkreis Heidelberg ist noch heute in den Zielen und Idealen der Jugendbewegung verwurzelt. Fast ein Jahrhundert später pflegen wir die Trachten und Traditionen unserer Vorfahren und versuchen sie trotz der Schnelllebigkeit unserer Gesellschaft zu erhalten. Unsere nach alten Vorlagen nachgearbeiteten Festtagstrachten erzählen daher heute noch von der Heimat unserer Vorfahren
Immer noch geben die Trachten darüber Auskunft, aus welcher Region der Trachtenträger stammt. Nur wohlhabende Bauersfrauen konnten sich Trachten aus Samt und Seide mit wertvollen bunten Bändern leisten. Wer für das teure Material kein Geld hatte, schneiderte aus selbst gewebten Stoffen. Die Festtagstracht der verheirateten Frauen war ihre Hochzeitstracht, nur die Haube wurde mit der Hochzeit ausgetauscht. Diese Kleidung wurde dann ein Leben lang zum Kirchgang oder zu besonderen Anlässen getragen und war so geschneidert, dass sie sich leicht an eine veränderte Figur anpassen ließ. Der Schmuck der Frau ließ immer auf die Finanzen der Familie schließen. Bei der Egerländer Halskette z .B. konnte man bei guten wirtschaftlichen Verhältnissen zusätzlichen Silberschmuck anhängen. Dieser war aber in Notzeiten auch wieder zu veräußern. Der Hofbesitzer zeigte sein finanzielles Wohlergehen an der Anzahl und Größe seiner silbernen Knöpfe an bestickter Weste und Mantel. Bei der Odenwälder Tracht tragen die jungen, ledigen Mädchen weiße, bestickte Häubchen, die verheirateten Frauen dagegen schwarze.
So hat die Tracht heute noch ihre verschlüsselte Sprache. Wer sie zu lesen versteht, erfährt manches über ihren Träger, ohne ein Wort mit diesem gewechselt zu haben.